Fast jeder fünfte männliche Jugendliche in Deutschland ist sehr ausländerfeindlich, ein erheblicher Teil hat rechtsextreme und antisemitische Einstellungen. Gleichwohl ist die Jugendgewalt in den vergangenen zehn Jahren insgesamt deutlich zurückgegangen.
Das sind die zentralen Aussagen der Studie «Jugendliche in Deutschland als Täter und Opfer von Gewalt», die Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, am Dienstag in Berlin vorstellten.
Schäuble begrüßte, dass damit erstmals aussagekräftige Zahlen aus dem gesamten Bundesgebiet vorlägen. Laut Pfeiffer ist es die größte Jugendstudie, die es jemals in Europa gegeben hat. Sie korrigiert die Aussagen der Polizeilichen Kriminalstatistik, die zuletzt eine zunehmende Gewaltbereitschaft jugendlicher Krimineller belegte. Die amtliche Statistik erfasst nur die der Polizei bekanntgewordenen Fälle. Für die Studie wurden 2007 und 2008 in 61 Landkreisen und kreisfreien Städten fast 45 000 Schüler der neunten Klasse im Alter von 14 bis 16 Jahren befragt, ob sie Opfer von Gewalttaten wurden oder selbst Delikte begangen haben. In einem weiteren Forschungsbericht sollen die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von 8000 Viertklässlern vorgelegt werden.
Mit großer Sorge sieht Pfeiffer die ausländerfeindlichen und rechtsextremistischen Einstellungen. Vergleichszahlen gibt es nicht, weil bei einer früheren Untersuchung nicht danach gefragt wurde. Etwa jeder siebte Jugendliche in Deutschland ist demnach sehr ausländerfeindlich. Unter den Jungen liegt dieser Anteil bei 19 Prozent, unter den Mädchen bei 9,6 Prozent.
4,9 Prozent der Jungen und 2,6 Prozent der Mädchen gaben an, Mitglied einer rechtsextremen Gruppe oder Kameradschaft zu sein. Pfeiffer: «Das muss uns aufrütteln, dass ein hoher Anteil der Jungen in West- und Ostdeutschland ins Fahrwasser der Rechten geraten ist.» Am ausgeprägtesten seien Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus an Hauptschulen. Der Aussage, in Deutschland gebe es zu viele Ausländer, stimmten knapp 30 Prozent der Jugendlichen uneingeschränkt zu. Bei den Jungen waren es sogar 36,5 Prozent.
Als eindeutig rechtsextrem stuft die Studie 5,2 Prozent der Jugendlichen ein, als stark antisemitisch 4,3 Prozent. Der Anteil der Jugendlichen, die ausgeprägte Sympathien für solche Einstellungen haben, liegt noch deutlich darüber. Die Einstellungen fanden die Forscher heraus, indem sie entsprechende Denkmuster wie beispielsweise über den Einfluss von Juden abfragten.
Mit Blick auf die Jugendgewalt sagte Pfeiffer: «Die Dinge sind nicht so schlimm, wie sie manchmal in den Medien erscheinen.» Im Vergleich zu 1998/99 sei die Quote der Jugendlichen, die nach eigenen Angaben in dem Jahr vor der Befragung mindestens eine Gewalttat begangen haben, in keiner der untersuchten acht Städte angestiegen, überwiegend sogar beträchtlich gesunken. Sie lag 1998/99 zwischen 17,3 und 24,9 Prozent, 2005 bis 2008 zwischen 11,5 und 18,1 Prozent.
Die von der Polizei registrierte zunehmende Jugendgewalt hängt damit zusammen, dass jugendliche Opfer Gewalttaten immer häufiger anzeigen - bei deutlichen regionalen Unterschiede. In Bayern gehen 31 Prozent der Opfer von Raubdelikten zur Polizei, in Norddeutschland 44 Prozent und im Osten sogar 51 Prozent.
Von den befragten Schülern wurden 16,8 Prozent mindestens einmal Opfer einer Gewalttat, 3,9 Prozent mindestens fünfmal. An der Spitze der Delikte standen einfache Körperverletzungen. Relativ hoch sei die Anzahl der Gewaltdelikte in der Familie. Pfeiffer: «Der Produktionsfaktor Nummer eins sind prügelnde Eltern.» Opfer familiärer Gewalt werden vor allem jugendliche Migranten, deren Eltern aus der Türkei, dem früheren Jugoslawien sowie aus arabischen und afrikanischen Ländern stammen. Jugendliche nichtdeutscher Herkunft begehen häufiger Gewalttaten als deutsche.
Als Täter traten die Jugendlichen vor allem mit Sachbeschädigungen (14,6 Prozent) und Ladendiebstählen (13,3 Prozent) hervor. Mindestens eine Gewalttat haben 13,5 Prozent der Befragten verübt, mindestens fünf innerhalb von zwölf Monaten 4,3 Prozent. Als erfreulich hob Pfeiffer hervor, dass die Akzeptanz von Gewalt zurückgeht.
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